Wenn man vor 25 Jahren jemandem erzählt hätte, wie schön Radfahren im Sauerland ist, der hätte nur ungläubig den Kopf geschüttelt. Wenn man ihm heute erzählen würde, dass man nun schon eine ganze Weile entspannt von der historischen Hansestadt Brilon über den MöhnetalRadweg bis nach Neheim-Hüsten fahren kann, über den Ruhr-Sieg-Radweg bis in die Kreisstadt Olpe gelangt oder auf der GeoRadroute Ruhr-Eder sogar gleich ein mehrtägiges Tourenradabenteuer im Sauerland und dem angrenzenden Waldecker Land erleben kann, der wäre wohl umso erstaunter. Zumal ein hoher Anteil der genannten Strecken auf stillgelegten Bahntrassen verläuft und somit auch in der Mittelgebirgsregion der Fahrspaß bei nur geringen Steigungen garantiert nicht zu kurz kommt.
Denn in „Deutschlands inspirierender Outdoorregion“ hat sich einiges getan und Tourenradfahrer haben nicht zuletzt durch den E-Bike-Boom längst die Region für sich entdeckt, um spannende Ausflüge zu unternehmen, die Natur zu genießen und die vielen kulturellen Highlights am Wegesrand zu erkunden.
Apropos Bahntrassen: Der ideale Einstieg, um das Sauerland mit dem Rad zu entdecken ist eine Radtour auf dem 84 Kilometer langen SauerlandRadring und der 40 Kilometer langen HenneseeSchleife. Angelegt als Rundtour ist ein Einstieg nahezu überall möglich, besonders praktisch wird es aber bei der Anreise mit dem PKW oder der Bahn, Finnentrop als Ausgangspunkt zu wählen. Vom dortigen Parkplatz im liebevoll gestalteten Lennepark radeln wir dann zunächst nach rechts entlang der Lenne bis zum Stellwerk Nord, fahren nach links über die dortige Brücke und folgen dann dem markanten Logo des SauerlandRadrings, der roten Fledermaus.
Wir kommen so am ehemaligen Werksgelände der Fleischwarenfabrik Metten vorbei und sehen nach kurzer Fahrt auf der rechten Seite die Plattform „Lichtblick Lenne“, von der aus voraussichtlich ab 2026 die neue Routenführung durch den 196 Meter langen Lenhauser Tunnel realisiert wird. Am Sportplatz Lenhausen führt uns der Weg nun nach rechts Richtung Schloss Lenhausen, einer Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert, die im 17. Jahrhundert zum Schloss ausgebaut wurde.
Leicht bergauf fahrend gelangen wir entlang der Landstraße zum Anfang des Bahntrassenradwegs durchs Frettertal. Künftig kommt man hier nach Durchfahrung des Lenhauser Tunnels an. Nach vier Kilometern gelangt man nun zur Frettermühle. Die ehemalige Getreidemühle wird seit 1989 zur umweltfreundlichen Stromerzeugung genutzt. Zudem wird das Caféstübchen im Inneren von der Gemeinde aufgrund seines besonderen Ambientes als Standesamt für Hochzeiten genutzt.
Immer leicht bergauf gelangt man nun nach Fretter und biegt nach der Ortsmitte nach rechts zur Knochenmühle ab. Die Knochenmühle ist eine um 1900 errichtete Wasserradmühle und diente der Herstellung von Knochenmehl, welches als Dünger verwendet wurde. Das technische Kulturdenkmal gilt mit seiner Ausstattung in Nordrhein-Westfalen als einzigartig.
Nun sind es noch rund fünf Kilometer bis zum Höhepunkt des SauerlandRadrings, dem über die Region hinaus bekannten Fledermaustunnel. Leicht bergauf geht es so an bahnhistorischen Exponaten wie Schildern, Waggon und Lok vorbei, die Einblicke in längst vergangene Zeiten gewähren. 689 Meter lang und durchschnittlich 10 Grad kühl, bietet er ein schaurig-schönes Erlebnis. Bis zu 200 seltene Fledermäuse wie die Bartfledermaus, das Große Mausohr und das Braune Langohr haben hier ihr Winterquartier. Deshalb ist der Tunnel jährlich von November bis Anfang April geschlossen, eine Umleitung ist jedoch ausgeschildert, sodass ganzjährig die Möglichkeit für Touren auf dem SauerlandRadring besteht.
Nach der Tunneldurchfahrt geht es bergab Richtung Eslohe. Am Ende des Bahntrassen-Teilstücks gelangt man zum Dampf-Land-Leute-Museum, eine spannende Kultureinrichtung, die auf über 2.000 m² zeigt, wie Menschen in der Region die Energie von Wasser und Feuer in der Vergangenheit nutzten. Besonders lohnt sich ein Besuch zu den Esloher Dampftagen Ende Mai und Ende September, wenn neben einem breiten Familienprogramm auch die Möglichkeit besteht, eine kurze Fahrt mit der historischen Museumseisenbahn zu unternehmen.
Nun führt uns die Route hinter dem Museum entlang nach links und weiter durch Sallinghausen zum Anknüpfungspunkt der ergänzenden HenneseeSchleife. Wir fahren allerdings nach rechts und gelangen schon bald nach Bremke. Dort biegen wir in der Mitte des Ortes auf die Bahntrasse nach Schmallenberg ein und folgen dieser auf bestens asphaltiertem Untergrund.
Nun geht es stetig leicht bergauf vorbei an kleinen Orten wie Dorlar und Mailar bis wir Bad Fredeburg erreichen, das seit 2011 Heilstollenkurbetrieb ist und in einer der waldreichsten Regionen Deutschlands liegt. Der schmucke Fachwerkort lädt zu einer Altstadttour ein, bietet ein breites gastronomisches Angebot und den idyllisch gelegenen Kurpark zum Verweilen. Das ebenfalls dort befindliche Gerichtsmuseum ist einzigartig in Nordrhein-Westfalen und zeigt eine interessante Sammlung zur Geschichte des Justizwesens vom Femegericht bis zur heutigen Rechtsprechung.
Kurz hinter Bad Fredeburg erreichen wir die höchste Stelle des SauerlandRadrings auf 460 Metern ü. NN und rollen nun entspannt vorbei an Gleidorf immer weiter in Richtung Schmallenberg. Sie ist übrigens eine der flächengrößten Städte Deutschlands und war im Mittelalter sogar Mitglied der Hanse. Seit dem 15. Jahrhundert lässt sich hier Textilgewerbe nachweisen und der noch heute geläufige Name „Strumpfstadt“ für Schmallenberg wird nicht zuletzt durch den Sitz der Firma Falke am Leben gehalten. Eine Rundfahrt durch das Zentrum mit seinen klassizistischen Häusern und stillen Winkeln sollte man nicht versäumen. Auch hier bietet sich wieder eine Pause für einen entspannten Altstadtbummel oder eine Einkehr an.
Auf unserer weiteren Fahrt lohnt sich neben Fleckenberg auch ein Abstecher in das Bundesgolddorf Milchenbach mit seinen sehenswerten Fachwerkhäusern. Schon kurz danach gelangen wir in den Luftkurort Saalhausen mit seinem neu gestalteten Kurpark. Zahlreiche Cafés und Gasthöfe laden zu einer Stärkung ein oder man entspannt in den zahlreichen aufgespannten Hängematten im Schatten der Laubbäume.
Auf dem Radweg entlang der B236 erreichen wir nun Altenhundem, wo auch der Bahnhof zur An- und Abreise genutzt werden kann. Nur wenige Kilometer weiter folgt Meggen, das weitere Highlights für Tourenradfahrer bereithält. Denn hoch über dem Ort liegen die Sauerland-Pyramiden, in denen sich u. a. der Wissens- und Rätselpark „Galileo-Park“ befindet. Von der Aussichtsterrasse genießt man einen traumhaften Blick ins Lennetal. Gleich nebenan befindet sich das Industriedenkmal Sicilia-Schacht. Hier wurde seit den frühen 1850er Jahren Schwefelkies abgebaut, der vor allem zur Produktion von Schwefelsäure diente. Die ehemaligen Bergbauanlagen können besichtigt werden.
So langsam neigt sich die 84 Kilometer lange Rundtour ihrem Ende. Auf unserem weiteren Weg gelangen wir aber noch in den „Wilden Westen“. Der ist in Elspe anzutreffen und hier lohnt sich ein Abstecher zum berühmten Elspe-Festival. In Europas größtem reinen Show- und Festivalpark erleben Besucher auf der Naturbühne von Juni bis September die Karl-May-Festspiele und auch Gastspiele bekannter Stars in der Festivalhalle.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir Finnentrop. Direkt am Ortseingang auf der linken Seite kann das Haus Bamenohl von außen besichtigt werden. Der krönende Abschluss einer ereignisreichen Tour.